Atomausstieg vor 10 Jahren – Tag der Trauer

Es ist Zeit Bilanz zu ziehen über eines der größten Politikversagen in Deutschland.

Ein Gastbeitrag von Fritz Vahrenholt.

Nach dem Reaktorunfall in Fukushima in Japan gab es ein einziges Land auf der Welt, das daraufhin einen Ausstieg aus der Kernenergie beschloss: Deutschland.

Es war die Bundeskanzlerin, die in einer Kurzschlussreaktion vier Tage nach dem Störfall erklärte, dass die ältesten acht Kernkraftwerke  abgestellt werden sollten. Das Kernenergieausstiegsgesetz wurde am 12. Juni 2011 beschlossen. 

Trotz Fukushima kamen alle anderen Kernenergieländer der Welt zu anderen Schlussfolgerungen. Spanien, Belgien, Schweiz, USA und Schweden verlängerten die Laufzeit ihrer Kernkraftwerke. Holland plant grenznah und Polen an der Oder den Einstieg in die Kerntechnik. Schweden, das in den 1980er-Jahren beschlossen hatte, bis 2000 alle Kernkraftwerke zu schließen, hat mittlerweile den Betrieb einzelner Kraftwerke bis 2040 erlaubt. Sogar der Ersatz bestehender Kernkraftwerke ist dort nunmehr möglich.

Schäden sind immens

In Deutschland war ebenfalls die Laufzeitverlängerung ein halbes Jahr vor dem Ausstiegsbeschluss erfolgt: Im Herbst 2010 beschloss der Deutsche Bundestag eine Verlängerung der Laufzeiten um acht Betriebsjahre für ältere Kraftwerke und um 14 Jahre für jüngere Kraftwerke. Danach wäre Brokdorf im Jahre 2036 vom Netz gegangen.

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt war von 1991 bis 1997 Umweltsenator in Hamburg, danach ging er als Vorstand in Unternehmen der  Erneuerbaren-Energien-Branche und war von 2012 bis 2019 Alleinvorstand der Deutschen Wildtier-Stiftung

Die Folgeschäden der Fehlentscheidung der Kanzlerin und des deutschen Bundestages für den Wohlstand Deutschlands sind immens. Denn in der Regierungserklärung von 2009 hatte die CDU-FDP Koalition das Ziel der Vorgängerregierung einer 40%-igen CO2-Minderung bis 2020 übernommen.

Ein Großteil der durch den Ausstieg wegfallenden, CO2-freien Stromproduktion musste nun durch Kohle- und Braunkohlekraftwerke ersetzt werden. Dadurch blieben die CO2-Emissionen durch die Stromerzeugung bis 2018 weitgehend konstant, obwohl horrende Subventionen in Höhe von 400 Milliarden Euro für Windkraftanlagen und Photovoltaikdächer zu einem massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien führte. Hinzu treten die Kosten von etwa 100 Milliarden Euro, die für die Hochspannungstrassen auszugeben sind, um Windstrom vom Norden in den früher kernkraftreichen Süden zu transportieren.

Höchster Strompreis der Welt

Die Subvention , die auf jeden Stromkunden umgelegt wurde, führte zu einem massiven Strompreisanstieg. Deutschland hat mit 32 Eurocent pro Kilowattstunde den höchsten Strompreis der Welt, der internationale Durchschnitt liegt bei 12 Eurocent/kwh. Die Erneuerbaren-Energie-Umlage beträgt mittlerweile 10 Eurocent /kwh, die mittlerweile zum Teil vom Steuerzahler bezahlt wird.

Der höchste Strompreis der Welt, eine Folge der falschen Entscheidung im Jahre 2011, trifft nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit von Industrie und Gewerbe und deren Arbeitsplätze, soweit sie nicht zu den wenigen Betrieben gehören, die von der Umlage befreit sind. Der Wirtschaftsstandort Deutschland zerbröselt. Schon heute investiert die chemische Industrie vor allen Dingen wegen der prohibitiv hohen Stromkosten weniger als die Höhe der Abschreibungen. Die industrielle Basis schrumpft.

Um die CO2-Ziele trotz Kernenergieausstiegs dennoch einzuhalten, mussten andere Bereiche herangezogen werden wie der Verkehr, die Wärmeversorgung und die Landwirtschaft, die mit weiteren CO2– Einsparvorgaben belastet wurden. Am Ende wurde sogar der Verbrennungsmotor geopfert, eine Schlüsseltechnologie Deutschlands

Wirtschaftliches Harakiri

Durch den Doppelschlag des Verzichts auf Kernenergie und Kohle fallen 80 Prozent der gesicherten Leistung an Strom weg und werden ersetzt durch Strom, der von Wind und Wetter abhängt und mit Dunkelflauten im Winter von bis zu 10 Tagen eine Strommangelwirtschaft hervorrufen wird, die wir nur von Entwicklungsländern kennen. Es grenzt an politisch- wirtschaftliches Harakiri, Verkehr und Wärmeversorgung zukünftig auch noch zusätzlich von fluktuierenden Stromquellen wie Sonne und Wind abhängig zu machen. Die hierfür notwendige Speicherung durch Wasserstoff oder Batterien ist schlicht unbezahlbar.

Mit der Stilllegung der Kernkraftwerke ist das Problem der radioaktiven Rückstände in den abgebrannten Brennelementen, die in 12 Zwischenlagern neben den Kernkraftwerken aufbewahrt werden, ungelöst. Eine neue Generation von Kerntechnologien, die inhärent sicher sind und das Endlagerproblem auflösen, wird weltweit entwickelt, nur nicht in Deutschland. Denn die bis 2011 gültige Zweckbestimmung des Atomgesetzes, die Erforschung der Nutzung der Kernenergie zu fördern, wurde ersatzlos gestrichen. Die Kernforschung zum Zwecke der Energieerzeugung wurde eingestellt. Aber sowohl die internationale Energieorganisation IEA als auch der Weltklimarat IPCC wissen, dass eine umweltverträgliche, wirtschaftliche Energieversorgung ohne Kernenergie nicht möglich sein wird.

Was die neuen Kraftwerke können

Die Kerntechnik der 4. Generation, an der weltweit geforscht wird, arbeitet überwiegend mit schnellen Neutronen. Sie sind in der Lage, auch nicht spaltbare Atomkerne durch Neutroneneinfang zu spaltbaren zu machen. Damit wäre das Problem der Reichweite des Kernbrennstoffs Uran gelöst, denn herkömmliche Reaktoren nutzen lediglich 5 Prozent des Urans durch Kernspaltung. Zugleich wird aber auch das Problem des Atomabfalls gelöst, denn dieser kann als Ausgangsstoff eingesetzt werden. Selbst wenn es nicht um die kostengünstige CO2-freie Stromerzeugung durch Kernenergie ginge, müsste sich Deutschland mit dieser Technologie befassen, denn sie sichert die Umwandlung der über Zehntausende von Jahren langlebigen Rückstände in Stoffe, die bereits nach einigen hundert Jahren als abgeklungen gelten.

Ein neues Konzept der IV. Generation ist auch der Dual-Fluid-Reaktor (DFR). Er wurde als privates Projekt von Kernphysikern aus Deutschland ohne staatliche Zuschüsse entwickelt und hat mittlerweile weltweit Patente. Die Beschreibung des Reaktors durch die Erfinder liest sich wie die Beschreibung des Steins der Weisen:

  • Der DFR erzeugt wie die meisten Konzepte der 4. Generation keinen langlebigen Atommüll, im Gegenteil, er baut den bestehenden Atommüll ab.
  • Die Energieeffizienz ist etwa 1000 Mal so groß wie bei Stromerzeugungen auf Basis Erneuerbarer Energien.
  • Das Kraftwerk ist inhärent sicher.
  • Die Erzeugungskosten für Strom sollen für ein Großkraftwerk von 1500 Megawatt elektrischer Leistung bei  1 Cent pro kWh liegen (heutiger Börsenstrompreis 5 Cent pro Kilowattstunde.

Die Patentinhaber, die sich im privaten Institut für Festkörper-Kernphysik in Berlin organisiert haben, haben ihre Zelte mittlerweile in Vancouver in Kanada aufgeschlagen. 

Sicherheit der Energieversorgung nicht möglich

Je mehr die desaströsen Unzulänglichkeiten der Energiewende auf Wind- und Solarbasis in den nächsten Jahren zutage treten werden, umso mehr sollte auch die Offenheit kluger politischer Köpfe auch in Deutschland wachsen, sich mit einem neuen, sicheren Kapitel der Kernenergie zu beschäftigen. Um es klar zu sagen , nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist die Sicherheit der Energieversorgung, Grundlage unseres Wohlstandes, ohne Kernenergie nicht möglich.

Die Kernkraftwerke können natürlich auch in Polen, Slowakei, Tschechien, Schweiz, Frankreich, Belgien, Holland, Schweden und Finnland stehen. In Deutschland wird das nicht möglich sein, solange in den Redaktionsstuben deutscher Medien nach einer Untersuchung von Prof. Kepplinger 70 Prozent der Journalisten immer noch der Auffassung sind, dass Fukushima „endgültig bewiesen“ habe, dass „die Risiken der Kernenergie nicht tragbar sind“, obwohl sie wissen sollten, dass Fukushima in Deutschland niemals hätte passieren können.

Aber bevor ein grüner Umweltminister den ersten Kernenergieforschungsetat in den deutschen Bundestag einbringt, muss die Energieversorgung hierzulande auf dem Niveau eines Entwicklungslandes, mit Rationierungen, ständigem Stromausfall, Produktions -und Arbeitsplatzverlagerungen in gigantischen Ausmaß angekommen sein. Erst dann werden wir lernen, wie fatal der Ausstiegsbeschluss aus dem Jahre 2011 war. Aber das dauert nicht mehr allzu lange.


Foto: Nicolas Raymond / Flickr / Prof. Dr. Fritz Vahrenholt.

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