Demokratiehilfe mit Hinterzimmer-Syndrom

Mit der Bundestagswahl ist so einiges klar geworden. Auch manche Frage ist entstanden. Zu den neuen Gewissheiten zählt, dass die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) künftig Anspruch auf Millionenförderung vom Bund hat. Und mancher fragt deshalb: Sind diese Zuwendungen an die umstrittene Partei legitim? Und noch ganz andere Frage treten in den Vordergrund: Wohin fließen jährlich die vielen Millionen? Und wofür werden sie verwendet?

Ausgaben auf Allzeithoch

Die Höhe der Zuwendungen richtet sich nach dem Abschneiden der Parteien in den letzten Bundestagswahlen. Zwar gibt es keinen offiziellen Anspruch auf Gelder aus dem Bundeshaushalt. Als ungeschriebenes Gesetz gilt jedoch, dass Parteien nach zweimaligem Bundestagseinzug hintereinander mit Förderungen bedacht werden. Die AfD-nahe DES setzt alles daran, dieses Geld erstmals zu erhalten. Das ist aus Sicht der Partei nur logisch. Mit zehn bis elf Prozent bei den letzten beiden Bundestagswahlen hat sie immerhin Anspruch auf bis zu 70 Millionen Euro – im Jahr.

Die Ausgaben für parteinahe Stiftungen schießen indes in ungeahnte Höhen. Schon ohne die DES erhalten die Stiftungen heute an die 600 Millionen Euro jährlich. So bekam allein die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) im Geschäftsjahr 2019 fast 200 Millionen Euro. Das Pendant der SPD, die Friedrich-Ebert-Stiftung 177 Millionen und die Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP-nah) immerhin noch 68 Millionen Euro.

Intransparente Hinterzimmer

Die Stiftungen stehen verschiedenen Parteien nahe, sind offiziell aber unabhängig. Jede im Bundestag vertretene Partei verfügt über so eine Stiftung. Sie erhalten das Gros ihrer Gelder aus dem Haushalt des Bundes. Die Bundeszuweisungen decken weit über 90 Prozent der Stiftungshaushalte. Soweit so klar.

Doch schon bei der Herkunft der Gelder wird es schnell intransparent. Denn die Bundesmittel speisen sich aus den Ministerien für wirtschaftliche Zusammenarbeit, für Bildung und Wissenschaft, dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium des Innern. Diese Vielfalt führe zu Undurchsichtigkeit bei Herkunft der Mittel, warnt sogar Transparency International. Der Bund der Steuerzahler spricht sogar von einer „Hinterzimmer-Politik der Stiftungsfinanzierung“.

Reform gefällig? 

Bisher gibt es kein Gesetz, dass die Höhe der Stiftungsfinanzierung begrenzt. Zum Vergleich: 2019 lag die Obergrenze der staatlichen Parteienfinanzierung laut Bundeszentrale für politische Bildung bei insgesamt 197 Millionen Euro. Verglichen mit über einer halben Milliarde Euro für parteinahe Stiftungen überraschend gering. Durch den Wiedereinzug der AfD in den Bundestag ist das Thema einer Reform bei der Stiftungsfinanzierung zuletzt in den Fokus der Medien gerückt.

Die Finanzierung von Politikergedenkstiftungen erfolgt ebenfalls aus dem Bundeshaushalt. Solche Stiftungen pflegen das Andenken an bedeutende Politiker wie Otto von Bismarck, Theodor Heuss oder Willy Brandt. Doch ihre Zuwendungen stehen in keinem Vergleich zu den enormen Ausgaben für parteinahe Stiftungen. Hier geht es um Gelder im einstelligen Millionenbereich.

Rüge vom Rechnungshof

Die exorbitanten Ausgaben für parteinahe Stiftungen sind nicht die einzige Baustelle. Der Bundesrechnungshof rügte auch schon die hohen Gehälter von Spitzenposten in Stiftungen. So würde ein Vorsitzender oder Generalsekretär über 10.000 Euro im Monat erhalten. Das übersteigt, was so mancher Spitzenbeamte des Bundes verdient.

Da Mitarbeiter besser verdienen als in vergleichbaren Positionen im öffentlichen Dienst, verstoßen die Stiftungen damit sogar gegen das „Besserstellungsgesetz“. Der Vorwurf richte sich im Übrigen gegen Stiftungen aller Parteien, so der Bundesrechnungshof.

Ex-Politiker wie Martin Schulz, Norbert Lammert oder Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sind heute allesamt Vorsitzende parteinaher Stiftungen. Darüber hinaus sitzen in den Stiftungsgremien auch aktive Politiker und Persönlichkeiten der jeweiligen Partei.

Und noch ein anderes Problem betrifft die parteinahen Stiftungen – nämlich das der unklaren Mittelverwendung. Da die Stiftungen mit öffentlichen Geldern bedacht werden, unterliegen sie der Rechenschaftspflicht. Sie müssen deshalb Jahresberichte veröffentlichen.

Doch anhand der uneinheitlichen Jahresberichte ist es oft schwierig nachzuvollziehen, wofür genau diese Gelder verwendet werden. Bei einigen Stiftungen ist es gar unmöglich, Anzahl und Inhalt der durchgeführten Veranstaltungen herauszubekommen. In anderen Fällen ist es kaum möglich, die Menge der im Ausland beschäftigen Mitarbeiter zu ermitteln. Immer lauter wird deshalb auch der Vorwurf einer verdeckten Parteienfinanzierung. 

Stiftungen mit wichtiger Funktion

Trotz aller der Kritik: Politische Stiftungen sind wichtig für unsere Demokratie. Sie beteiligen sich am politischen Meinungsbildungsprozess und fördern die gesellschaftliche Teilhabe. Jede parteinahe Stiftung finanziert auch Stipendiaten. Ich selbst bin einer von ihnen. Einer von fast 11.000 Stipendiaten einer parteinahen Stiftung. Ohne dieses Finanzierungssystem wäre es für viele Studenten noch schwerer, einen akademischen Abschluss zu erreichen. Für manche überhaupt ein Studium zu beginnen.

Das deutsche System der politischen Stiftungen ist weltweit einzigartig. Jede parteinahe Stiftung unterhält weltweit eine große Anzahl an Auslandsbüros. Die Konrad-Adenauer-Stiftung verfügt über 111 Auslandsbüros, die grüne Heinrich-Böll-Stiftung über 33. Durch die Arbeit dieser Büros erhöht sich auch die außenpolitische Präsenz Deutschlands. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung (Die Linke) zum Beispiel ist im Libanon, Indien, Kasachstan oder Israel vertreten. Die Hanns-Seidel-Stiftung (CSU) in Togo, Tunesien oder Vietnam.

Quo vadis?

Die deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik bezeichnet parteinahe Stiftungen gar als „diplomatische Hilfstruppen“ deutscher Außenpolitik. Sie sind damit Instrumente der Softpower, die helfen, Werte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Marktwirtschaft zu vermitteln.

Dennoch ist eine Transparenzoffensive überfällig! Nötig wäre ein Stiftungsgesetz, auf das sich alle Parteien einigen können. Hilfreich wäre etwa eine Höchstgrenze der Ausgaben für politische Stiftungen und eine Normierung der Jahresberichte. Doch ob eine Initiative dafür gelingen kann, ist offen. Verhandelt würde das Gesetz schließlich von den Parteien, deren Stiftungen es am Ende betrifft. Für eine effektive Reform nur mäßige Voraussetzungen.

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