Ein guter Freund fürs ganze Leben

Heute will ich etwas besonders Zärtliches mit Ihnen teilen – Bücher. Was ich damit meine: Bücher kann man fühlen, streicheln, ja sogar lieben. Für mich sind Bücher wie ein guter Freund fürs ganze Leben, wie ein Stück Familie. Gestern war „Welttag des Buches“. 

Wer Lust aufs Lesen hat, greift immer noch zum gedruckten Buch. 2020 waren es mehr als 21 Millionen Menschen in Deutschland, die täglich oder mehrmals wöchentlich Bücher lesen. 3,6 Millionen haben in dieser Zeit auch E-Books gekauft. 

Das Buch, das mich am meisten gefesselt hat, heißt „Das Lied von Bernadette“, ein Roman des Exil-Schriftstellers Franz Werfel. Es erzählt die Geschichte des kleinen Bauernmädchens Bernadette Soubirous, der in einer Höhle die Jungfrau Maria erschien. Bernadette wurde ausgelacht – aber sie blieb bei ihrer Geschichte. Immer mehr Menschen kamen zu der Grotte. Heute sind es jedes Jahr Millionen – der Ort ist weltberühmt und heißt Lourdes. Bernadette Soubirous trat ins Karmeliterkloster ein – sie starb mit 35 Jahren. 1933 wurde sie heiliggesprochen, 

Als ich diese Wunder-Geschichte entdeckte, war ich 15 und las eineinhalb Tage ohne zu essen – so fasziniert war ich von Bernadettes Leben. Ähnliche Erlebnisse haben Leser mit Krimis, Liebesromanen oder Kinderbüchern, wie „die Drei ???“. Man erfasst Wort um Wort, aber erlebt die Figuren, als existierten sie. Man geht mit ihnen ins Bett und wacht mit ihnen auf.

Wer Bücher liebt, liebt auch ihren Geruch. Neue Bücher duften tatsächlich – nach frisch geschnittenem Holz und Druckerschwärze. Nichts gegen E-Books: Bis zu 1400 Bücher kann man darauf speichern. Für einen Urlaub ist das sicher ideal, warum denn nicht! 

Wenn ich an meinem Bücherregal aus Fichte vorbeigehe, greife ich manchmal in eine Reihe und ziehe wahllos ein Buch heraus. Immer das gleiche: Ganz doll pusten (wie viel Staub liegt denn da schon wieder drauf?), einmal aufmachen, den Leineneinband berühren und denken: Dich wollte ich auch noch lesen!

Wer viele Bücher hat, hat auch oft ein schlechtes Gewissen. Als würden die ungelesenen Bücher dir zurufen: „Mensch, wann bin ich dran?“ Wenn jemand mich besucht, der keine Beziehung zu Büchern hat, höre ich manchmal die Frage: „Hast du die alle gelesen.“ Dann sage ich: „Alle, bis auf die Reihe oben rechts – die lese ich heute Nacht.“ Das ist natürlich als Scherz gemeint, manche Bücher kann man nicht einfach so durchlesen. Es ist aber schön, sie bei sich zu haben.

Ich habe auch Bücher von meinen Eltern geerbt. Und da mache ich manchmal eine verblüffende Entdeckung. In dem Roman „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry in der ersten deutschen Ausgabe von 1950 hatte mein längst verstorbener Vater einen Zettel hineingelegt. Ich schlug das Buch an dieser Stelle auf und fand ein Zitat, das er einst markiert hatte:

„Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es dir sein, als lachten alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache. Du allein wirst Sterne haben, die lachen können.“

Jetzt verstehen Sie, warum ich Bücher liebe.

Dieser Text erschien zuerst in BILD. WMP-Senior-Advisor Louis Hagen schreibt dort jeden Samstag über Dinge, die Millionen Menschen bewegen: Glück, Familie, Liebe, Zeit, Trauer, Partnerschaft. Seine Kolumnen finden Sie auch hier.

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