Die lukrative Jagd nach den richtig bösen Jungs

Wer die Räumlichkeiten von Palantir betritt, fühlt sich beobachtet. Aus gutem Grund. Denn Palantir beobachtet alles. Und jeden. Weltweit. Das ist das Geschäftsmodell. Die geheimnisvolle Big-Data-Firma aus Palo Alto ist offiziell auf der Suche nach den richtig bösen Jungs. „We’re after the really bad guys“, so steht es auf einem Poster im Eingangsbereich. Für diese Suche nutzt Palantir alle Daten, die aufzutreiben sind. Welche genau das sind, sagt man mir bei meinem Besuch in der Zentrale in Palo Alto natürlich nicht. Geschäftsgeheimnis. Aber es sind sehr viele.

Es gibt noch mehr Geheimnisse. Die Chefs von Palantir sind große Fans des Fantasy-Klassikers „Der Herr der Ringe“. Deshalb sind viele Konferenzräume oder Projektteams nach Charakteren und Orten aus dem Buch benannt. Die Ringe-Mythologie führt die Palantíri als „sehende Steine“ ein, mit denen man über weite Strecken kommunizieren kann. In einer Schlüsselstelle des Romans übergibt der Zauberer Gandalf den geheimnisvollen Ring an den Hobbit Frodo und sagt: „Halte ihn geheim und bewahre ihn sicher.“

Die üblichen Verdächtigen

Genau so macht es auch Palantir. Niemand weiß genau, mit wem Geschäfte gemacht werden. Unter den Verdächtigen sind die Üblichen: CIA und Mossad. Außerdem wird geraunt, dass die Datenanalysen von Palantir zum Aufenthaltsort und schließlich zum Ausschalten von Osama bin Laden geführt hätten. Inzwischen wird vermutet, dass sich Palantir längst in alle wichtigen Geheimdienste und Behörden der Welt gehackt hat.

Das gesammelte und aufbereitete Wissen stellt Palantir seinen Kunden zur Verfügung. Und lässt sich dafür teuer bezahlen. Der Umsatz der Firma betrug 1,1 Milliarden Dollar im Jahr 2020. Die Gründer und Milliardäre Peter Thiel und Alexander Karp versprechen, dass sie ihre Software und ihr Wissen aber nur für noble Werte des Westens einsetzen. Sie sehen sich als Kämpfer für die liberalen, freiheitlichen Werte.

Riesig ist das Vertrauen aber nicht. Die Palantir-Aktie hat sich zwar in den Jahren seit der Gründung des Unternehmen zwischendurch vervierfacht. Das ist im Vergleich mit anderen Tech-Firmen aus dem Silicon Valley eher übersichtlich. Derzeit entwickelt sie sich seitwärts. Immer wieder gibt es Demonstrationen gegen das Unternehmen. Vor so viel künstlicher Intelligenz und Datensammelwut haben die Leute Angst.

Die Deutschen sind vorsichtig

Deutsche Firmen sind zurückhaltend, was die Zusammenarbeit mit Palantir angeht. Bei Axel Springer saß Alexander Karp im Aufsichtsrat, mit SAP hat man kooperiert, mit Merck arbeitet man an Medikamenten. Ansonsten sind wir deutschen Datenschutzweltmeister skeptisch gegenüber den Big-Data-Jongleuren. Dabei hat sich das Geschäft von Palantir längst aus der Geheimdienst-Zone heraus entwickelt. Man ist mit dem Wissen über die Verarbeitung großer Datenmengen in verschiedenste Industriezweige und die Forschung an Medikamenten eingestiegen.

In Palo Alto sitzen die jungen Programmierer in Jeans und T-Shirt auf abgewetzten Sofas und spielen Video-Spiele. Pause von der Datenjagd. Sie sind hier hergekommen, weil sie dabei helfen wollen, die Welt ein Stück besser und sicherer zu machen, erzählen sie mir. Aber erstmal ist ihre Welt durch den Job bei Palantir besser geworden. In der Stadt heißt es, dass ihre Einstiegsgehälter bei 200.000 Dollar im Jahr liegen. Plus Dienstwagen. Man sieht viele Cabrios von BMW in der Stadt. Mit sehr jungen Fahrern am Steuer. Bald müssen sie allerdings Abschied von Kalifornien nehmen, denn Palantir zieht nach Texas.

Ein Mitarbeiter nickt mir zu und zeigt mir den Büchertisch. Hier stellen die Palantir-Chefs Bücher hin, die sie ihren Mitarbeitern empfehlen. Gratis. Zum Mitnehmen. Da steht viel Startup-Literatur, viel Fantasy und Science Fiction – und natürlich auch „Herr der Ringe“. Vielleicht finden die jungen Leute die Stelle des Romans, wo es heißt, dass die sehenden Steine zu einem gefährlichen Werkzeug werden können. Wenn sie in falsche Hände geraten.

Foto: Gage Skidmore / Flickr

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