Kampf um die Arktis

Der Wettlauf um die Arktis ist in vollem Gange. Es tobt ein Kampf um Macht und Einfluss. Das Problem: Die Arktis gehört niemandem. Oder allen. Das sehen die Russen anders. Außenminister Sergej Lawrow: „Für jeden ist seit Langem vollkommen klar, dass dies unser Territorium ist, das ist unser Land.“ Stimmt nicht, sagen die Anrainer.

Wie das 21 Millionen Quadratkilometer große Gebiet nördlich des 66. Breitengrades aufgeteilt wird, ist bisher jedenfalls ungeklärt. Berechtigte Ansprüche haben die acht Anrainerstaaten. Das sind die Großmächte USA und Russland, dazu noch Kanada und die skandinavischen Länder Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland und Island.

Doch auch China will nicht leer ausgehen. Das riesige Reich grenzt zwar nicht an die Arktis, das aber hindert China nicht, sich kurzerhand als „Fast-Anrainer“ zu bezeichnen. Für dessen Seidenstraßenprojekt gilt besonders das Nordpolarmeer als wichtiger Handelsweg. Denn das Wegschmelzen des Eises könnte in Zukunft kürzere Routen über die Weltmeere ermöglichen.

Neue Seewege und Bodenschätze

Nirgendwo auf der Welt ist der Klimawandel so deutlich zu spüren wie in der Arktis. Im Vergleich zum Weltdurchschnitt erwärmt sich die Arktis derzeit doppelt so schnell. Grund: Je mehr Eis schmilzt, desto weniger Wärme wird reflektiert. Das erwärmt die Arktis weiter und lässt das Eis noch schneller abtauen. Ein folgenschwerer Kreislauf, der Forschern und Umweltschützern große Bedenken bereitet – und Begehrlichkeiten weckt. Denn neben neuen Seewegen gibt das Eis auch Bodenschätze frei.

16 Prozent der weltweiten Öl- und 30 Prozent der Gasreserven werden in der Arktis vermutet – also 22 Prozent der bisher unentdeckten, aber theoretisch förderbaren Ressourcen dieser Welt. Das wären um die 90 Milliarden Barrel Erdöl und zwischen 40 bis 50 Billionen Kubikmeter Gas. Zum Vergleich – rund 100 Millionen Barrel Erdöl wurden 2019 weltweit verbraucht und knapp vier Billionen Kubikmeter Erdgas. Das heißt: Was die Welt pro Jahr benötigt, ist nur ein Bruchteil dessen, was in der Arktis lagert.

Wette auf den Klimawandel

Dazu kommen Metall- und Mineralienvorkommen am Meeresgrund. Zum Beispiel Nickel, Kupfer, sogar Diamanten oder seltene Erden. Noch sind sie anderenorts deutlich günstiger zu fördern. Auch die Lokalisierung der Rohstoffe und deren Abtransport ist im Moment noch zu teuer. Doch schmilzt das Eis weiter ab, wird die weltweite Nachfrage darüber entscheiden, ob diese Ressourcen aus der Tiefe gefördert werden. Wie lohnenswert wiederum der nördliche Seeweg wird, hängt davon ab, wie schnell er eisfrei und damit einfach zu passieren ist.

Auch die Politik beschäftigt die Arktis immer öfter. Russland übernimmt dieser Tage den Vorsitz im Arktischen Rat, dem Gremium, dem alle acht Anrainer angehören. Gleich polterte Russlands Außenminister Sergei Lawrow, seit Langem sei klar, wessen Territorium die Arktis sei. Russland investiert derzeit am meisten in militärische und wirtschaftliche Projekte in der Arktis. Daran wird deutlich: Der Kampf um die Vormachtstellung ist entfacht. Er ist eine Wette auf den Klimawandel. Und eine gegen den Klimaschutz.

Illustration: Regina Bense

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