Wirtschaftskraft hat dicht gemacht

Die Weihnachtsmärkte in Deutschland haben eine lange Tradition. Die längste wird dem Frankfurter Weihnachtsmarkt nachgesagt. 1393 wurde er erstmals urkundlich erwähnt. In Frankfurt hatte man schon immer einen guten Riecher für Märkte…

Wirtschaftsfaktor Weihnachtsmarkt

Als solche kann man die geschätzten 3.000 Weihnachtsmärkte in Deutschland heute immer noch bezeichnen. Wenn Sie denn stattfänden. Für rund 160 Millionen Besucher im Jahr sind sie eine Einstimmung auf das Weihnachtsfest. Doch noch viel wichtiger: Mit drei bis fünf Milliarden Umsatz pro Saison sind sie ein wahrer Wirtschaftsfaktor.

Ungefähr 5.300 Schausteller in Deutschland – auch Beschicker genannt – machen im Weihnachtsgeschäft 30 bis 50 Prozent ihres Jahresumsatzes. Für Kommunen sind die Standgebühren eine lukrative und einkalkulierte Einnahmequelle. So verlor die Stadt Hannover im Corona-Jahr 2020 allein 440.000 Euro an Standgebühren. Von der Umsatzsteuer ganz zu schweigen.

Erfindungsreichtum und Kreativität

Auf dem wohl berühmtesten deutschen Weihnachtsmarkt, dem Christkindlesmarkt in Nürnberg, schlägt ein Meter Marktstand für einen Glühweinverkäufer mit knapp 522 Euro Miete zu Buche. Der Betreiber einer Handwerksbude zahlt hingegen nur 83 Euro. Dafür sind im Glühweinbusiness pro Stand schon mal 50.000 Euro Umsatz drin. Welche Umsätze anliegende Apotheken am nächsten Morgen mit Kopfschmerzmittel verzeichnen ist allerdings statistisch nicht erfasst.

Manche Händler lassen sich auch von Corona nicht unterkriegen. Zumindest so gut es geht. Das führt mancherorts zu wahren Perlen unternehmerischen Geschicks. In Kalkar am Niederrhein fand im vergangenen Jahr ein „Drive-In-Weihnachtsmarkt“ auf dem weitläufigen Gelände eines Freizeitparks statt. Im Schnitt kamen täglich 600 Fahrzeuge vorbei und mit ihnen an die 120.000 Besucher. Über anschließend verhängte Fahrverbote ist nichts bekannt.

Den Ruf, einer der schönsten und geschmackvollsten Weihnachtsmärkte Deutschlands zu sein, genießt der historische Weihnachtsmarkt auf dem Rathausmarkt in Hamburg. Er wurde von Bernhard Paul und seinem Roncalli-Team gestaltet. Attraktion und Markenzeichen ist der „Fliegende Weihnachtsmann“, der dreimal täglich mit seinem Schlitten über die Köpfe der Besucher hinweg schwebt und die Weihnachtsgeschichte erzählt.

Der Dresdner Striezelmarkt in früheren Jahren. Er findet, wie viele andere Weihnachtsmärkte auch in diesem Jahr nicht statt.

Dinos sterben in der Pandemie

Leider wurden auch in diesem Jahr wieder wichtige Weihnachtsmärkte abgesagt. Es traf unter anderem den Münchner Christkindlmarkt. In seuchenfreien Zeiten lockt der schon mal um die drei Millionen Besucher an. Laut Berechnungen der Stadt München hat er einen Wirtschaftswert von 175 Millionen Euro. Das gleiche Schicksal hat auch einen anderen der ganz alten Weihnachtsmärkte ereilt: den Dresdner Striezelmarkt (erste Erwähnung 1434). Zum Ärger der Schausteller wurde er dieses Jahr kurzfristig abgesagt. Der Dresdner Unternehmer Holger Zastrow, der Weihnachtsmärkte in Dresden und Pirna veranstaltet, beziffert den Schaden an beiden Standorten auf 500.000€.

Zu den Top Ten der meistbesuchten Weihnachtsmärkte in Deutschland zählt auch der überaus traditionsreiche Nürnberger Christkindlesmarkt. Er wollte in diesem Jahr eigentlich mit einer Covid-bedingten Besonderheit aufwarten: eine virtuelle Eröffnung vom gewählten Christkind. Doch leider fällt auch er dem Infektionsschutz zum Opfer. Damit fällt nicht nur die übliche Eröffnung vom Balkon der Frauenkirche ins Wasser. Selbst der virtuelle Gruß ist abgesagt.

Existenzen bedroht, schon wieder

Wut und Existenzängste auch in Brandenburg und Potsdam. Dort wurden die Märkte nach nur drei Tagen wieder geschlossen. Händler blieben auf Bratwürsten und Glühwein sitzen. Für viele ist das existenzbedrohend. Bereits das zweite Jahr in Folge. Der Berliner Weihnachtsmarkt am Schloss Charlottenburg baute erst gar nicht auf. Die Umsetzung der behördlich auferlegten Regeln hätte für den Veranstalter Mehrkosten von 250.000 Euro bedeutet.

Sachsens Politik denkt jetzt für „Beschicker“ über „Überbrückungshilfe III Plus“ nach. So heißt ein neues Hilfsprogramm des Bundes. Das Programm soll den Betreibern immerhin die Fixkosten erstatten. Dennoch stehen die meisten Händler, Gastronomen und Schausteller im zweiten Jahr der Pandemie vor der Insolvenz. Nur mit der Erstattung von Ausfallkosten ist ihnen vielleicht noch zu helfen. Es bleibt zu hoffen, dass es nicht so weit kommt. Und, dass das Brauchtum der Weihnachtsmärkte in Zukunft erhalten bleibt.

Zurück zur Übersicht
Scroll to Top