Papa, wie schön, dass du wieder da bist!

Ich habe meinen Vater erst richtig kennengelernt, als er schon tot war. Dabei habe ich ihn ein Leben lang geliebt.

Er interviewte Kennedy im Weißen Haus. Dessen Nachfolger Lyndon B. Johnson drückte er im Oval Office eine Kuhglocke aus München in die texanischen Pranken. Als Junge ging ich ans Telefon, und Franz Josef Strauß fragte nach ihm. Er war ein Vertrauter von Axel Springer.

Louis Hagens Vater Karl-Heinz Hagen im Weißen Haus bei John F. Kennedy

Als meine Mutter uns verließ, wollte ich ihn heiraten. Da war ich sechs. Gestern habe ich von ihm geträumt. Wenn er in seinem braunen Kamelhaarmantel neben mir geht, ist er mir so nah, als wäre er nie weg gewesen. Mein Vater ist seit 27 Jahren tot.

Wie kann so was möglich sein? Was passiert in unserem Unterbewussten, uns Menschen wieder zu schenken, die schon so lange nicht mehr unter uns weilen?

Entschuldigen Sie, liebe Leser: Ich mache mir jetzt nicht die Mühe, die Antwort zu googlen. Ich mache es ein bisschen wie Frankreichs großer Schriftsteller Michel Houellebecq, der in so einem Fall schreibt, er sei „zu faul nachzugucken“.

Wissen Sie warum? Weil es nicht darauf ankommt, in welchem Teil unseres Gehirns irgendwas versteckt ist und warum es physiologisch irgendwann zum Vorschein kommt und dann wieder verschwindet. Und vor allem, wie man das Ganze nennt und um welchen Hirnlappen es da geht.

Karl-Heinz Hagen mit seinem geliebten Kamelhaarmantel

Unsere Erinnerungen sind einfach da. Sie sind in uns. Sie sind ein Teil von uns. Und wenn es einen Moment der Gnade gibt, werden auch Menschen, die wir geliebt haben, wieder lebendig. Das geschieht eben im Traum, an den wir uns ja nur selten wirklich erinnern.

Ich interpretiere das so: Was uns mal bewegt hat, lässt uns nie wieder los. Und wenn es eine große Liebe ist, hält sie ewig, auch wenn es jetzt etwas kitschig klingt. Warum sonst läuft mein Vater im Kamelhaarmantel neben mir in meinen Träumen? Er sagt nichts, er ist einfach da.

Und wenn ich dann aufgewacht bin, fällt es ungeheuer schwer, das Traumgeschehen in den Alltag zurückzubringen. Es ist wie ein Nebel, der sich kurz aufgelöst hat und einen wieder umgibt, wenn man aufgewacht ist. Die österreichische Dichterin Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916) hat es wunderbar in Worte gefasst:

Nenne dich nicht arm, wenn deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; Wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat.

Dieser Text erschien zuerst in BILD.

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