Die Medizinerin hinter dem Wunder von Tübingen

Ganz Deutschland schaute auf die Stadt Tübingen und wunderte sich. Wie konnte es sein, dass mitten in der Pandemie so viele Freiheiten möglich waren? Menschen saßen in Biergärten, spazierten in der Einkaufsstraße und gingen zum Einkaufen in die geöffneten Geschäfte. Den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer kennen wir aus Talkshows. Seine Geheimwaffe gegen Corona heißt Lisa Federle. Die Ärztin und Notfallmedizinerin steckt hinter dem Wunder von Tübingen.

Inzwischen ist das Corona-Modellprojekt „Öffnen mit Sicherheit“ beendet. Es lief so: Seit September 2020 konnten durch massenhaftes Testen in Tübingen viele Infizierte identifiziert werden, obwohl sie keine Symptome hatten. Die negativ Getesteten konnten mit einem Tagesticket frei einkaufen oder ins Theater gehen. Durch die Aussicht auf mehr Freiheiten, ließen sich sehr viele Menschen testen. Doch durch die Notbremse des Bundes ist der Versuch gestoppt. Die Zahlen des Landkreises sind zu hoch.

Die Pandemie-Beauftragte der Stadt Tübingen, Lisa Federle (CDU), findet das schade. „Das war kein Spiel mit dem Tod“, sagte sie den Stuttgarter Nachrichten, sondern ein wissenschaftlich begleiteter Versuch, der vielen Menschen Hoffnung gemacht habe. Man hätte vieles lernen können, so Federle.

Ihre praktische Ader ist selten

Lisa Federle hat eine schillernde Vita. Ihr Vater starb, da war sie gerade 14 Jahre alt. Sie bekam sehr früh ihre Kinder, studierte sehr spät Medizin. Diese Berg- und Talfahrten im Leben haben sie offenbar zu einer erfolgreichen Corona-Bekämpferin reifen lassen.

Die Pandemie-Beauftrage ist ein praktisch denkender Mensch. Federle führte 2015 führte im Kreis Tübingen eine „rollende Arztpraxis“ zur Behandlung Geflüchteter in ihren Notunterkünften und von obdachlosen Menschen ein. Während der COVID-19-Pandemie 2020 machte sie diese flugs zu mobilen Fieber- und Abstrichambulanz. Diese praktische Ader vermissen wir in den meisten anderen Städten und Kreisen in Deutschland.

Federle gegenüber ntv: „Ich habe eine Test-Strategie entwickelt und losgelegt. Danach wurde es zum Selbstlauf. Die ersten Tests habe ich im Oktober bestellt, 25.000 Stück für 110.000 Euro.“ Da war noch gar nicht sicher, ob sie das Geld jemals wiedersehen würde. Doch dann hat die lokale Tageszeitung darüber berichtet und ein Weihnachts-Spendenprojekt daraus gemacht. Die Tübinger Bürger haben so viel gespendet, dass schließlich alle Tests bezahlt werden konnten.

„Der Minister hat jämmerlich versagt“

Zur Organisationsfähigkeit der deutschen Behörden hat Federle eine klare Meinung: „ Ich habe fast ein Jahr lang versucht, das Sozialministerium in Baden-Württemberg dazu zu bewegen, eine Teststrategie zu entwickeln, vor allem für die Altenheime. Aber die haben sich um nichts gekümmert. Der Minister hat da wirklich jämmerlich versagt, das kann man wohl so sagen.“

Auch an den Gesundheits-Experten Karl Lauterbach (SPD) wagt sich Federle. Mit klaren Worten beschreibt sie, was in Deutschland schief läuft. Lauterbach in einem Streitgespräch mit ihr auf bild.de: „Ich weiß, dass es in einer kleinen Stadt in Tübingen gelungen ist, dass durch besonderes Engagement die Tests zum Teil zur Verfügung stehen. (…) Mann kann nicht einfach immer nur kopieren. Es muss auf Konzepte gesetzt werden, die geprüft sind.“ Federle antwortet lakonisch: „Aber es gibt keine.“

Das sind klare Worte einer mutigen Frau. Von dieser Sorte Eigenverantwortung und Organisationsfähigkeit brauchen wir in Deutschland mehr. Aber das Gegenteil ist leider der Fall. Es gibt zu viele Bremser und Bedenkenträger. Mit viel Häme und manchmal auch klammheimlicher Freude wurde während des Experiments darauf hingewiesen, dass die Infektionszahlen auch in Tübingen steigen würden. Viele Kritiker verwechselten aber die Zahlen des Landkreises mit denen der Stadt.

Lisa Federle lässt sich nicht entmutigen und hat schon neue Pläne. Sie beteiligt sich an einer Initiative, die Kindern in der Corona-Zeit mehr Bewegung im Freien ermöglicht. Sie sitzen einfach zu viel vor dem Fernseher und dem Computer, sagt Lisa Federle.

Das Biest meint: Wir brauchen mehr Menschen wie Lisa Federle

Zurück zur Übersicht
Scroll to Top