„Der soziale Frieden in Deutschland ist in Gefahr“.

Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, erklärt im Interview mit Business Beast, welche Klimaziele im Gebäudesektor realistisch sind und warnt vor steigenden Kosten und politischer Planlosigkeit. Um trotz Klimaschutz bezahlbaren Wohnraum zu erhalten, braucht es dringend effiziente Förderung.

Business Beast: Herr Gedaschko, die EU plant unter der Bezeichnung „Fit for 55“ ein umfangreiches klimapolitisches Maßnahmenpaket. Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß deutlich sinken, bis 2050 soll Europa klimaneutral sein. Dafür bekommt Europa auch eine neue Gebäuderichtlinie verpasst. Zugleich will die Ampel-Koalition 400.000 neue Wohnungen pro Jahr bauen. Wie realistisch sind diese Ziele?

Axel Gedaschko: Wir arbeiten mit Hochdruck an der Umsetzung der Klimaziele und unterstützen die gesellschaftliche und politische Zielsetzung. Das große Problem besteht derzeit allerdings darin, dass die Ziele immer ambitionierter werden, während die notwendige Förderung nicht existiert oder auch noch Knall auf Fall gestrichen wird.

Was genau meinen Sie?

Ein katastrophales Beispiel ist der heute bekannt gewordene vorläufige Komplett-Förderstopp der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) der KfW mit sofortiger Wirkung. Dieser Stopp bedeutet eine Vollbremsung bei Tempo 200 für den bezahlbaren, klimaschonenden Wohnraum in Deutschland. Die Entscheidung ist ein Desaster für alle, die sich für günstiges und nachhaltiges Wohnen engagieren, denn nicht nur künftige, sondern auch bereits beantragte Förderungen für Neubau werden damit von heute auf morgen beendet. Was Bauherren aber vor allem brauchen, ist Planungssicherheit.

Was bedeutet diese Entscheidung für den Neubau von Wohnungen?

Dieser Schritt ist absolutes Gift für das Entstehen und den Erhalt von bezahlbaren Wohnungen. Der Förderstopp legt nach wenigen Wochen Regierungsarbeit bereits die Axt an das ohnehin ambitionierte Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr.

Bleibt die Ampelkoalition hinter ihrem Anspruch zurück, Klimaschutz und bezahlbaren Wohnraum miteinander in Einklang zu bringen?

Wenn Förderungen für so ambitionierte Ziele gekürzt oder sogar ganz gestoppt werden, ist das schlicht und ergreifend unsozial. Wenn das Wohnen durch den Klimaschutz immer teurer wird, und diese Maßnahmen nicht entsprechend gefördert werden, wird sich ein großer Teil der Menschen in Deutschland das Wohnen künftig nicht mehr leisten können. Der soziale Frieden in Deutschland ist dadurch in Gefahr.

Was droht Häuslebauern, wenn die Maßnahmen des Maßnahmenprogramms der EU wie geplant in Kraft treten?

Wenn es weder entsprechende Förderung für ambitionierte politische und gesellschaftliche Ziele noch Planungssicherheit gibt, sind die verantwortlichen Bauherren die Leidtragenden. Sie versuchen, bezahlbare Wohnungen zu schaffen und zu erhalten, obwohl derzeit die Baukosten explodieren, es viel zu wenige Handwerker gibt und die energetischen Vorgaben immer strenger werden. Vor allem den sozial orientierten Wohnungsunternehmen in ganz Deutschland wird so leichtfertig ein Strich durch ihre Planungen gemacht. Das Nachsehen haben dann Mieterinnen und Mieter mit geringen Einkommen, die auch heute schon angesichts steigender Kosten kaum noch eine bezahlbare Bleibe finden können.

Was muss stattdessen im Vordergrund stehen?


Die Bezahlbarkeit muss immer mitgedacht werden. Die Kosten können nicht ins Unendliche steigen, ohne dass es dafür eine Refinanzierung gibt. Wenn klimaschonender Wohnungsbau auf dem Rücken der Mieterinnen und Mieter und der Wohnungsunternehmen unmöglich gemacht wird, dann ist das vor allem eines: zutiefst unsozial. 

Was wäre ein konkreter Ansatz?

Absolut notwendig und damit eine zentrale Maßnahme ist die Betrachtung von ganzen Quartieren. Das ist ein entscheidendes Manko der neuen EU-Gebäuderichtlinie. In den Berechnungen und vorgeschlagenen Maßnahmen stehen lediglich Einzelgebäude im Fokus. Der Blick fürs Ganze fehlt. Um für den Klimaschutz schnell und bezahlbar echte Erfolge zu erzielen, muss das ganze Wohnquartier und nicht nur das einzelne Gebäude in die Maßnahmen mit einbezogen werden.

Wie kann Wohnen trotz Klimaschutz bezahlbar bleiben? 


Es muss gefördert werden, was gefordert wird. Wenn man Mindesteffizienzstandards einführt, muss es deshalb gleichzeitig einen Rechtsanspruch auf Förderung geben. Eigentümern, die kein Eigenkapital besitzen, muss der Staat zudem eine Lösung anbieten, damit sie sanieren können, ohne ihr Eigentum zu verlieren.  

Stichwort Eigentum, mancherorts – zum Beispiel in Berlin – ist das Thema Enteignung immer noch auf der politischen Agenda. Was entgegen sie auf so eine Debatte?

Ideologische Utopien wie Enteignungsideen untergraben das gesellschaftliche Vertrauen in unsere demokratischen Grundpfeiler – und sie schaffen keinen bezahlbaren Wohnraum.

Die wahren Lösungen für bezahlbares Wohnen…

… sind eine nachhaltige Bodenpolitik, die ausreichend preisgünstigen Wohnungsbau ermöglicht, eine starke soziale Wohnraumförderung und der politische Wille, den Wohnungsneubau voranzubringen.

Am Montag, den 24.01.2022 hatte das Wirtschaftsministerium überraschend erklärt, bei der staatlichen „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ (KfW) könnten ab sofort keine neuen Anträge für die Förderung effizienter Gebäude gestellt werden. Finanzminister Christian Linder (FDP) ließ unlängst verlautbaren, die Betroffenen, darunter allein 4000 Familien und Privatpersonen, nicht im Stich zu lassen. 

Die Fragen stellte Maxim Zöllner-Kojnov.

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