„Der Bitcoin wird sicher nicht vom Thron gestoßen“

Jeff Gallas, Start-up-Gründer und Bitcoin-Connaisseur, sprach mit Business Beast über seine Reise ins Krypto-Land El Salvador. Im September 2021 wurde die Kryptowährung im mittelamerikanischen Land ein gesetzliches Zahlungsmittel. Seitdem ist das Land eine Art Bitcoin-Labor. Im Interview verriet er außerdem, warum er nicht glaubt, dass der Bitcoin von einer anderen Währung verdrängt wird.

Business Beast: Herr Gallas, lohnt es sich noch in den Bitcoin zu investieren?

Jeff Gallas: Klar, warum denn nicht? Den Bitcoin gibt es erst seit 13 Jahren. Im Vergleich zu anderen Währungen ist das nichts. Seine Entwicklung steht also noch ganz am Beginn. Wir stehen definitiv am Anfang. Rückblickend werden wir wahrscheinlich sagen, die ersten dreißig oder vierzig Jahre waren die Anfangszeit und ein guter Moment, um einzusteigen.

Kursziel am Jahresende?

Keine Ahnung (lacht). Prognosen sind schwierig. Vor allem beim Bitcoin.

Zu etwas Ernstem: Bezahlen wir in Deutschland bald alle mit Bitcoin?

Dass wir mal alle mit Bitcoin bezahlen, ist eher unrealistisch. Genauso wie es unrealistisch ist, dass alle Menschen zum Beispiel in El Salvador mit Bitcoin bezahlen, obwohl der Bitcoin dort gesetzliches Zahlungsmittel ist. Solche Entwicklungen brauchen viel Zeit.

Sind sie auch eine Frage der Mentalität?

Mit Sicherheit. Und eine des politischen Systems. In manchen Systemen wird es vielleicht nie dazu kommen. Andere Länder werden da deutlich aufgeschlossener sein. Vermutlich wird Deutschland keines der ersten Länder sein, die in der Breite auf so eine neue Technologie setzten. Gewagte Sprünge sieht man hierzulande ja eher selten. Kleinere Länder, etwa Entwicklungsländer, die vielleicht auch weniger zu verlieren haben, werden da wohl eher vorangehen. Ich denke da an den afrikanischen Kontinent oder Südamerika. Oder traditionell innovationsfreundlichere Länder wie die USA.

Sie haben El Salvador angesprochen. Von November bis Dezember waren Sie selbst vor Ort. Wie gut ist der Bitcoin schon in den Alltag eingebunden?

Kommt ganz darauf an, wo im Land man sich befindet. Das Bitcoin-Gesetz wurde ziemlich kurzfristig umgesetzt – in nur drei Monaten. Anfang Juni wurde es verabschiedet. Anfang September trat es in Kraft. Seitdem muss der Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Mancherorts ist das schon Normalität. Zum Beispiel in touristischen Regionen und urbanen Zentren. Da kann man so gut wie alles mit dem Bitcoin bezahlen. Dort ist das voll im Alltag integriert, Hotels, Restaurants, große Fastfood- oder Supermarktketten. Selbst die kleinen Händler am Strand haben einen QR-Code parat, über den die Zahlung abgewickelt wird. Je weiter es ins Landesinnere geht, desto weniger spielt das im Alltag bisher eine Rolle.

Präsident Nayib Bukele verspricht auch eine „Bitcoin-City“. Wie realistisch ist sein Plan?

Tja… Da muss man erst mal einen Schritt zurückgehen. Was zunächst passieren soll, ist der „Bitcoin-Bond“. Der wurde im selben Atemzug angekündigt. Das ist im Prinzip eine Staatsfinanzierung über eine Bitcoin-Anleihe, die El Salvador ausgibt. Die beläuft sich auf eine Milliarde US-Dollar. Das funktioniert auch über die Bitcoin-Blockchain. Das soll noch in diesem Quartal passieren. Dafür wird im Moment ein Gesetz vorbereitet. Wir werden also schon sehr bald sehen, ob das klappt oder nicht. Mit dieser Anleihe soll dann ein Geothermiekraftwerk und neue Infrastruktur erbaut werden, um die Bitcoin-City entstehen zu lassen. Das kann durchaus funktionieren. Die Zeiträume für diese Pläne sind nicht sehr groß. Wir werden also nicht lange spekulieren müssen. Schon in ein bis zwei Jahren wissen wir, ob es realistisch war oder eher ein Luftschloss. Zur Wahrheit gehört aber auch: Einige dieser Bauvorhaben sind schon seit Jahren in Planung. Präsident Bukele macht das aber geschickt. Er vermarktet es neu und stellt es als eigenes Projekt und schließlich als seinen Verdienst dar. Er ist ein Populist und ein Meister des Marketings.

Sie waren im Rahmen einer Delegationsreise vor Ort. Wie kommt es dazu?

Das begann eigentlich in Miami – auf der „Bitcoin 2021 Conference“.EinerVeranstaltung der Bitcoin-Community. Präsident Bukele war einer der Redner. Zurück in Berlin haben wir das in der Community lange diskutiert. Dann sind wir einfach in die salvadorianische Botschaft und haben einen Blumenstrauß und ein Buch vorbeigebracht. Daraus ergab sich ein längeres Gespräch mit der Botschafterin. Wir fanden die Entwicklungen in El Salvador natürlich extrem spannend. Daraus entstand die Idee der Delegationsreise. Und dann sind wir mit knapp 40 Leuten, alle aus der Community und ein paar Journalisten dahingeflogen.

Was haben Sie da zu sehen bekommen? 

Uns wurde alles gezeigt, was wir sehen wollten. Sogar einige Minister haben sich mit uns getroffen. Die haben uns ihre neue Digitalstrategie vorgestellt. Der Bitcoin ist letztlich nur ein Teil davon. Man ist Jahrzehnte zwischen linken und rechten Präsidenten hin und her gewabert. Jetzt versucht man etwas Neues. Man hat sowieso nicht so viel zu verlieren. Und wenn es schief geht, dann ist der Schaden am Ende auch überschaubar.

Zurück zum Bitcoin. Das Urziel der Cypherpunk-Bewegung ist die Verschlüsselung von Datenströmen. Aus dieser Idee ist auch der Bitcoin entstanden. Eine Währung ohne Monopol einer Zentralbank. Aber das Beispiel El Salvador zeigt: Ohne staatliche Initiative wird der Bitcoin auch kein staatliches Zahlungsmittel. Ist die Utopie längst überholt?

Die Utopie ist definitiv noch vorhanden. Aber Sie haben recht. Aus genau diesem Grund wurde der salvadorianische Schritt in der Community zum Teil auch heftig kritisiert. Nicht alle haben gejubelt. Man darf eines nicht vergessen: Die weltweite Community ist alles andere als ein homogener Haufen. Stattdessen gibt es viele verschiedene Meinungen und Positionen. Genau wie in anderen politischen Spektren. Und das Beispiel El Salvador ist in dieser Hinsicht natürlich sehr ambivalent. Man hat einerseits den staatlichen Zwang, diese Währung zu nutzen. Andererseits wird das so umgesetzt, dass auch alle existierenden Möglichkeiten im Umgang mit dem Bitcoin genutzt werden können.

Doch am Ende stellt der Staat die Infrastruktur?

Es gibt zwar eine de facto staatliche Infrastruktur, aber niemand wird gezwungen, die auch zu benutzen. Ein Unternehmen, dass Zahlungen in Bitcoin akzeptiert, kann jedes beliebige existierende Bitcoin-Kassensystem verwenden. Da gibt es verschiedene Anbieter. Aber im Moment sind wir tatsächlich an einem Punkt, an dem wir noch nicht wissen, wo das mal hinführt. Da ist einerseits staatlicher Zwang und andererseits bleibt es ein vollkommen offenes und freies Geldsystem. Außerdem: Die Währung ist auch politisch vollkommen unabhängig. Das liegt in der Natur des Bitcoins.

Irgendwann während des Jura-Studiums ist er auf den Bitcoin gestoßen. „Das war nicht so wie im Film, mit irgendeinem nerdigen Untergrundmagazin in schummrigen Serverräumen. Ich glaube, ich war einfach auf Spiegel Online.“ Seitdem sei kein Tag mehr vergangen, an dem er nicht an den Bitcoin gedacht hat. Daraus ist eine Berufung geworden.

Im Jahr 2012 haben Sie den Bundesverband Bitcoin mitgegründet. Mit welchem Ziel?  

Im Grunde ging es darum, den Bitcoin in der Gesellschaft bekannter zu machen und zu informieren. Wir wollten helfen, dieses Phänomen besser zu verstehen. Aber heute ist der Bundesverband in der Breite nicht mehr wirklich aktiv. Er unterstützt eher bei einigen spezifischen Projekten.

Mission schon erfüllt?

Der Bitcoin ist heute mit Sicherheit deutlich bekannter als noch vor zehn Jahren. Das hat viele Ursachen. Für uns stellte sich irgendwann einfach die Frage nach dem Sinn. Eine in den Grenzen eines Landes agierende Lobbygruppe bringt bei einem globalen Phänomen wie dem Bitcoin eher wenig. Der Bitcoin braucht keine Regelungen oder Initiativen, um erfolgreich zu sein und sich durchzusetzen. Damit war auch das Konzept eines Verbands mit der Zeit obsolet. Das geht am Ende vom einzelnen Individuum aus. Das Einzige, was ein Staat wirklich tun kann, ist es, diese Entwicklung zuzulassen und offen zu sein. Alles andere wäre ausgesprochen innovationsfeindlich. Aber es braucht auch keine koordinierten politischen Initiativen. Wenn sich der Bitcoin durchsetzt, dann nur aus eigener Kraft.

Hat die weltweite Bitcoin-Gemeinde irgendein Ziel?

Ich denke alles, was sich die Community wirklich wünscht, ist einfach in Ruhe gelassen zu werden. Ein Programm wie in El Salvador wollen am Ende dann doch die wenigsten. Das Netzwerk soll organisch wachsen und sich in der Welt verbreiten.

Sie sind auch Gründer des Start-ups Fulmo. Kann ein Laie verstehen, was sie machen?

Im Grunde machen wir zwei Sachen. Zum einen, und das ist relativ einfach zu verstehen, organisieren wir Veranstaltungen rund um das Thema Bitcoin. Insbesondere für Entwickler, um das Bitcoin-Protokoll weiterzuentwickeln und den Bitcoin so noch schneller, günstiger und privater zu machen. Daneben verkaufen wir auch diverse Hardware. Unser Schwerpunkt sind sogenannte „Bitcoin Full Nodes“.

Klären Sie uns auf.

Stark verkürzt? Das sind kleine Server, die man sich zu Hause an den Router steckt, um darüber mit dem Bitcoin-Netzwerk zu kommunizieren. Da wird dann die ganze Blockchain draufgeladen und jeder Block überprüft. Damit bin ich mir immer sicher, dass ich die richtige „Kopie“ von Bitcoin habe. Das erspart mir einen Drittanbieter wie zum Beispiel eine Börse.

Gibt es noch Kryptowährungen außer dem Bitcoin, die Sie interessant finden?

Ehrlich gesagt, ich sehe da nicht besonders viel. Gerade in der Breitenwirkung gibt es eigentlich nichts, was ähnlich interessant ist wie der Bitcoin. Das meiste sind eher Testfelder. Sollte sich dabei eine Stärke herausstellen, dann kann man so ein Feature immer noch in den Bitcoin integrieren.

Dem Bitcoin auch mal untreu gewesen?

Klar, ich meine, man hat immer mal mit verschiedenen Währungen rumexperimentiert. Man muss dabei gewesen sein, um zu wissen, wovon man spricht. Aber das waren eher Spielereien. Ich denke da zum Beispiel an Dogecoin. Das ist am Ende einfach eine Quatschwährung, die im Grunde nichts wert war. Ein virtueller Pfennig. Ein Bitcoin-Klon, der vor allem von seiner lustigen Community lebte – schon lange vor Elon Musk. Aber viele haben daran gelernt, wie der Bitcoin eigentlich funktioniert, ohne dass man gleich mit der Ernsthaftigkeit des Bitcoins konfrontiert war. Doch am Ende bleibt der Bitcoin die interessanteste Ausprägungsform. Und er ist zu stabil, als dass er wegen ein oder zwei Features vom Thron gestoßen wird.


Die Fragen stellte Maxim Zöllner-Kojnov.

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